Mar Gabriel Verein -
Mitteilungsblatt 1998
Aus
KOLO SURYOYO
Türkisches
Verhalten gegenüber Syrern im Tur Abdin
Das Verbot
der syrischen Sprache und des syr.
Religionsunterrichts
Die Syrer und die syrischen Klöster im
Tur Abdin waren in den letzten vier Monaten
wieder Zielscheibe der türkischen Regierung. In
einer offiziellen Mitteilung vom 6.10.1997 sprach
der türkische Gouverneur von Mardin, Fikret Güven,
aus, daß sowohl der Unterricht der syrischen
Sprache und der religiösen Themen als auch die
Beherbergung der Schüler und vorübergehenden
Besucher aus dem In- und Ausland im Kloster das türkische
Gesetz verletzen und daher verboten sind. Das
Schreiben war gerichtet an die Leitung der
Stiftung des Klosters Dayr Zafaran und wurde auch
an die Landräte der Kreisstädte und die Leitung
der Gendarmerie der Provinzstadt Mardin verteilt.
Der Gouverneur berief sich auf den seit 1924
eingeführten Artikel 24 des türkischen
Grundgesetztes, der das Lehren und Erziehen der
Moral nur unter der Beobachtung und Kontrolle des
Staates unterstellt. Dabei zitiert er auch die
Nummer 430 § l und 1739 § 56 des
Erziehungsgesetzes, daß alle
Erziehungsinstitutionen mit dem Wissenschafts-
und Unterrichtsministerium verbunden sind und das
Erziehen und Lehren im Namen des türkischen
Staates durchgeführt werden müsse. Der
Gouverneur lehnt sich außerdem an die
unangreifbare Stiftungssatzung des Klosters Dayr
Zafaran an, die 1936 bei der staatlichen
Untersuchung das Eigentum der Kirchen und Klöster
im Tur Abdin als dem Fiskus gehörend festgelegt
wurde. Die Satzung, so der Gouverneur, erlaubt
der Stiftung des Klosters nicht, durch Spenden
oder Kauf neues Gut zu erwerben und ein Heim,
eine Pension, einen Schulraum oder ein
Erziehungsinstitut zu schaffen.
Der Grund dafür findet die türkische Regierung
darin, daß den Syrern im Lausanner Vertrag von
1923 nicht der Status einer nationalen Minderheit
zuerkannt wurde. Unter die nicht-moslemischen
Minderheilen fallen offiziell nur Armenier,
Griechen und Juden. Außerdem werfen die türkischen
Behörden den Syrern im Tur Abdin vor, daß die
Klöster angeblich Stützpunkte und Nester für
PKK und Aufenthaltsorte für ausländische Spione
seien. Die Türkei will auch durch diese
spekulative Behauptung ihre Aktion rechtfertigen.
Auf diese neuen härteren Maßnahmen der türkischen
Regierung haben die Syrer weltweit scharf
reagiert. Von überall kamen Proteste und Kritik.
Diesbezüglich hat der Patriarch der Syrisch-Orthodoxen
Kirche von Antiochien, Mor Ignatius Zakka Iwas,
die neue türkische Aktion scharf verurteilt. Der
Patriarch äußerte sich am 25.10.1997 bei der
ersten inoffiziellen Diözesanversammlung der
syrisch-orthodoxen Diözese von Deutschland im
Mor Yakub-Kloster in Warburg. Er verurteilte aber
auch die vereinzelten Syrer, die mit den Kurden
arbeiten wollen. Der Patriarch sagte wörtlich:
Wir vergeben keinem der Syrer, die Probleme und
Konflikte zwischen den Syrern in der Türkei und
der türkischen Regierung verursachen und im
Namen der syrischen Kirche sprechen wollen. Seit
über einem Jahr bilden sich Gruppierungen der
sogenannten Assyrer in europäischen Ländern,
die sich Mtakse, Dauronoye, Phurqono oder
Revolutionäre nennen und eigene Informationen über
die Syrer im kurdischen MED-TV ausstrahlen. Die
Syrer oder die syrische Kirche im Tur Abdin haben
gar nichts mit diesen Organisationen zu tun. Im
Gegenteil sind sie dagegen.
Auch der Erzbischof Mor Julius Abdulahad Gallo-Shabo
von Schweden hat das Verhalten der Türkei gegenüber
den Syrern im Tur Abdin scharf kritisiert. Er
sagte:
Wir leben heute in der Türkei nicht wie in der
Vergangenheit, als die Türken unsere Väter (1914-15)
mit dem Schwert massakrierten und unschuldiges
Blut vergossen. Wir werden alles tun, unsere
Rechte in unserer Heimat zu bekommen. Wir sind -
so der Erzbischof - ein ruhiges Volk und keiner
darf uns unserer Rechte berauben. Wegen der neuen
Maßnahmen durch den Gouverneur von Mardin
machten die syrischen Metropoliten Mor Julius
Yeshu Cicek von Mitteleuropa, Mor Filoxenos Yusuf
Cetin von Istanbul, Mor Timotheus Samuel Aktas
von Tur Abdin und der Patriarchalvikar von Mardin,
Abt Ibrahim Türker, mit ihren Kirchenräten
einen offiziellen Besuch am 6. November 1997 bei
den türkischen Behörden in Mardin und sprachen
über mögliche Lösungen dieses Problems.
Leugnung des Verbots durch den türkischen
Innenminister
Über das Verbot
des Syrisch- und Religionsunterrichts wurden auch
die türkischen Abgeordneten nur durch ausländische
aber auch durch einheimische Medien informiert.
Darauf reagierte der Istanbuler Abgeordnete (P.M.),
Ercan Karakas (CHP), und bat den türkischen
Innenminister um eine schriftliche Stellungnahme.
In seinem an den Vorsitzenden der Türkischen Großen
National Versammlung gerichteten Schreiben vom 10.12.1997
fragte er ihn, warum und auf welcher rechtlichen
Basis der Gouverneur von Mardin dies getan habe,
ob er der Innenminister - die getroffene
Entscheidung billige, die abziele auf Zerstörung
des Glaubens und des Lebens der Syrer, die seit
Jahrhunderten in Mardin leben und ein Teil der
Kultur Anatoliens sind.
Der Innenminister Murat Basesgioglu leugnete das
Verbot der religiösen Erziehung durch den
Gouverneur von Mardin in seiner Stellungnahme vom
31.12.1997 und behauptete das, was in den Medien
kam, sei ein falscher und spekulativer Bericht.
Eine Kopie des Verbotsdokuments des Gouverneurs
von Mardin war bereits vor ein paar Wochen bei
der Presse eingegangen. Es sei das Ergebnis von
Aktionen mit provokatrven Versuchen, die in
Opposition zu unserem Land liegen, schrieb der
Innenminister. Nach ihm sät diese
Berichterstattung in den westlichen Medien
Zwietracht zwischen den Syrern und der türkischen
Regierung. Die falschen Berichte seien weder im
Interesse des Landes noch in dem der Syrer im
Ausland. Der türkische Politiker wollte den türkischen
Politiker auch davon überzeugen, daß die
namentlich erwähnten syrischen Kirchenführer
bei ihrem Besuch in Gouverneursamt,
Stadtverwaltungsamt, Polizeiführungsamt und bei
den Sicherheitsbehörden in Mardin bezüglich
dieser Vorgänge keine negative Beschwerde
einlegten. Er versuchte vielmehr zum Ausdruck
bringen, daß sie (die Syrer) aufgrund der guten
Bemühungen und Toleranz [der türkischen
Regierung gegenüber den Syrern] zufrieden wären.
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