Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 1997


Weihnachten im Tur Abdin

Seitdem es dem Syrer Johannes Chrysostomos gelungen war, im Jahr 386 seine Gläubigen von dem "neuen Fest" am 24./25. Dezember zu überzeugen, wird Weihnachten auch in dieser altorientalischen christlichen Gemeinschaft gefeiert. Es hat dabei sicherlich manche Wandlung durchgemacht. Im Tur Abdin sind die Gewohnheiten z.Zt. wie folgt:
Das Fasten zehn Tage vor Weihnachten (früher war die Fastenzeit länger) wird üblicherweise mit einem Fleischessen feierlich beendet. Früher bestand das spezielle Essen aus Fleisch und Zwiebeln, "marga" genannt. Heute gibt es auch Abwandlungen davon. Das Fasten ist offiziell nach der Messe beendet.
Die Messe findet zu unterschiedlichen Zeiten statt, in manchen Dörfern um 2.00 nachts, im Kloster Mar Gabriel um 5.30. Es wird ein Feuer in der Kirche oder im Kirchhof gemacht. Es erinnert nach hiesiger traditioneller Überlieferung an das Feuer der Hirten auf dem Feld in der Geburtsnacht, aber auch daran, daß Maria den Heiligen Drei Königen ein Kleidungsstück des Kindes in der Krippe zum Andenken mitgegeben hatte. Es gelang ihnen aber selbst mit Hilfe des Schwertes nicht, das Kleid zu zerteilen. Einem Rat des Engels folgend verbrannten sie es und teilten die Asche, und aus der Asche entstanden die schönsten Kleider.


Im Kirchhof von Bakisyan (Sept. 1996)

Außerdem wird während der Messe eine "dawra" gemacht: der Priester trägt das Kreuz, der höchste Diakon die Bibel, und alle die Messe zelebrierenden Personen verlassen den Altarraum, um eine Art Prozession durch die Kirche zu machen (wie zu Ostern).

Weihnachtsgeschenke sind nicht üblich, allerdings kaufen die Eltern den Kindern neue Kleidung und Schuhe. Der Weihnachtsbaum war bis vor kurzem unbekannt. "Papa Noel" tritt erst an Neujahr auf (die Nikolaus-Tradition geht auf einen Bischof aus Kayseri zurück). Gegenseitige Besuche sind genau wie zu Ostern üblich. Auch der Priester geht von Haus zu Haus, um zu beten und sein Gehalt einzusammeln. Die Kinder besuchen in Gruppen die Häuser und bekommen Süßigkeiten.
Die Muslime besuchen ihre christlichen Nachbarn, um ein frohes Fest zu wünschen und erwarten kleine Geschenke (Essen und Süßigkeiten).

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