Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 1997


Nachrichten aus den Dörfern und Klöstern des Tur Abdin

Miden
Große Gebiete nördlich von Miden fielen im letzten Jahr Bränden zum Opfer, die seitens des Militärs mit dem Kampf gegen die PKK begründet wurden. Außerdem haben sich im Ort Dorfschützer einquartiert. Sie sollen zur Unterstützung der Militärstation gegen die PKK eingesetzt werden, wobei besonders ihre Ortskenntnis gefragt ist. Für die Dorfbewohner bedeutet das eine zusätzliche Belastung, da sie die Dorfschützer mit Lebensmitteln versorgen müssen. Unangenehmer sind für sie jedoch die Pläne des Militärs, auf dem Dach einer nicht benutzten Kirche einen Beobachtungsposten einzurichten. Von dort aus hat man das ganze Dorf im Blick. Da man im Sommer wegen der großen Hitze traditionell auf den Dächern schläft, fühlt man sich durch Außenstehende, die noch dazu Muslime sind, unangemessen beobachtet und belästigt.


Das Dach als Schlafstätte für die ganze Familie (Blick auf die Kirche von Gündüksukrü). Im ganzen Tur Abdin ist diese alte Sitte noch im Gebrauch, da es im Sommer in den Häusern unerträglich heiß ist.

Gündüksükrü
Die Bewohner von Mar Bobo mußten ihr Dorf verlassen und haben sich im einige Kilometer südlich liegenden Gündüksükrü angesiedelt. Von dort aus können sie ihre Felder weiterhin bewirtschaften. Allerdings haben sie durch die Zwangsumsiedlung erhebliche wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen, allein schon durch den Aufwand, die ihnen zugewiesenen verlassenen Häuser wieder bewohnbar zu machen.

Kloster Mar Malke
Das Kloster leidet unter seiner abgeschiedenen Lage und der Abwanderung der christlichen Bevölkerung aus dem Tur Abdin. Nur noch vier Schüler besuchen die Klosterschule. Außerdem bleiben die Besucher weg, da die Militärstation in Harapali außerordentlich restriktiv vorgeht, d.h. die Durchfahrtserlaubnis verweigert. Auch hier legten die Soldaten Flächenbrände als Maßnahme gegen die PKK, plünderten und zertrampelten Wein- und Gemüsegärten.

Kloster Mar Gabriel
Die Ausbaumaßnahmen gehen weiter, wobei man immer wieder auf ältere, überbaute Anlagen stößt. Leider lassen die Finanzen des Klosters keine größeren archäologischen Prüfungen und denkmalschützerischen Aktivitäten zu, um so dankbarer war man für eine von den "Freunden des Tur Abdin" (Prof. Hollerweger, Österreich) angebotene wissenschaftliche Untersuchung des aus den ersten Jahrhunderten stammenden Glasmosaiks an der Decke der mittleren Chorkapelle der Gabriels-Kirche durch einen renommierten Spezialisten (Prof. Jobst). Dieses wertvolle Kunstwerk droht innerhalb der nächsten 10-20 Jahre auseinander zu fallen.

Zwischen dem Bischof Samuel Aktas und Vertretern der Solidaritätsgruppe wurde während eines Besuchs im September vor allem die Frage der Bezahlung der Religonslehrer (Malfonos) in den Dörfern besprochen. Ausgegangen wurde von einem erforderlichen Monatsgehalt von umgerechnet DM 300.-. Danach soll je ein Drittel des Gehalts von den Dorfbewohnern selbst, vom Weltkirchenrat (wie bisher) sowie von der Solidaritätsgruppe aufgebracht werden.

Von der Abwanderung der christlichen Bevölkerung aus dem Tur Abdin ist auch das Kloster betroffen. So sank die Zahl der Klosterschüler. Andrerseits steigt die Zahl der Gäste aus dem Ausland, für deren Unterbringung gesorgt werden muß.

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