Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 1995


Zum Gedenken an P.Dr. Hermenegild M. Biedermann (15.12.1911 - 26.10.94)
(P. Bernhard Plank und P. Dominik Wernicke)

P. Hermenegild wurde als Sohn einer fränkischen Bauernfamilie in Hausen bei Würzburg geboren. Sein Theologiestudium absolvierte er an der Universität Würzburg und wurde am 1. März 1936 zum Priester geweiht. Nach dem Krieg widmete er sich wieder intensiv der Theologie. Mit einer Arbeit über "Das Menschenbild bei Simon dem Jüngeren, dem Theologen" habilitierte er sich 1948 für das Fach "Kunde des christlichen Ostens". 1949 wurde er zum Privatdozenten ernannt. Nach dem Tod von Prof. Wunderle (1950) übernahm er dessen Lehrstuhl für Ostkirchenkunde, den er bis zu seiner Emeritierung (1977) innehatte.
Im Auftrag des Ordens begründete P. Hermenegild 1947 das Ostkirchliche Institut. Seit 1952 gab er die Fachzeitschrift "Ostkirchliche Studien" und die wissenschaftliche Reihe "Das östliche Christentum" heraus, die beide internationale Anerkennung finden. Was er für die Annäherung der Kirchen und für das Erschließen ostkirchlicher Quellen für die Theologie des Westens geleistet hat, läßt sich nur schwer ermessen. Er hat eine Bewegung in Gang gebracht, die das Denken für die Probleme des Ostens offen machte. Zu seinem 80. Geburtstag wurde er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.


Abuna Meiki aus dem Kloster Mar Gabriel mit Kurden im Nachbardorf (1991)

1953 wurde ihm nach der Wahl des deutschen Provinzials P.Engelbert Eberhard zum Ordensgeneral die Leitung der deutschen Augustinerprovinz übertragen. Neun Jahre lang stand er in dieser Aufgabe. Auch nach Beendigung seiner Amtszeit als Provinzial und seiner Emeritierung ruhte P. Hermenegild nicht. Er leitete weiterhin des Ostkirchliche Institut und die damit verbundenen Editionen. Mit der Übersetzung der Predigten zum 1.Johannesbrief wandte er sich intensiv unserem Ordensvater zu. Auch als Seelsorger war er weiterhin tätig: als geistlicher Leiter der Augustinusschwestem, als Exerzitienmeister und immer wieder mit Besinnungstagen. Die schwerste Aufgabe der letzten Jahre dürfte es für ihn gewesen sein, seine Lebenswerke loszulassen. Immer wieder aber hat er betont, daß er in Demut akzeptieren wolle, was kommt. Den Ritaschwestern in seinem Konvent St. Bruno schrieb er wenige Tage vor dem Tod eine Urlaubskarte, die mit den Worten endete: "An Allerseelen werde ich zu Hause sein". Er ist zu Hause angekommen. Nach eifrigem Voranschreiten, Laufen und Wachsen ist unser Herr ihm entgegengekommen und hat einen Platz für ihn bereitet. Dankbar wollen wir seiner im Gebet gedenken.

Helga Anschütz über Prof. Biedermann: "Die syrischen Christen haben einen Freund verloren"

Von Anfang an war er da, als es galt, gegenüber den syrisch-orthodoxen Christen in Deutschland Solidarität zu zeigen. Als Mitte der sechziger Jahre die ersten von ihnen den "Berg der Gottesknechte" verließen (als Gastarbeiter angeworben von einer Vertretung deutscher Arbeitsämter in Mardin), war das für viele ein tiefer Einschnitt, der nicht immer leicht zu verkraften war. Die gelernten Gold- und Silberschmiede, Baumeister, Steinmetze und Sonntagsschullehrer arbeiteten jetzt meist als ungelernte Arbeitskräfte in der Industrie.
Die deutsche Öffentlichkeit verhielt sich gegenüber den Fremdlingen anfangs recht zurückhaltend. Die Bewohner der Türkei galten als Muslime, daß dort auch Christen lebten, war unbekannt. Nur in eingeweihten Kreisen (vor allem natürlich in den Kirchen) hatte man etwas von "Abtrünnigen" (Konzilien von Ephesus und Chalcedon) gehört. Hermenegild Biedermann engagierte sich schnell. Er organisierte Gelder für die Abschrift von Heiligenlegenden und half somit "schriftkundigen" Sonntagsschullehrern und ihren Familien und kümmerte sich ganz allgemein um die immer größer werdende Schar syrischer Christen in seinem Bereich, die mit Anpassungs- und später mit Anerkennungsproblemen zu kämpfen hatten. In den siebziger Jahren vermittelte er dem damaligen Mönch aus dem Kloster Mar Gabriel - und heutigem Bischof von Mittel- und Westeuropa - Isa Cicek ein Stipendium in Deutschland.
Prof. Biedermann stellte seine Zeitschrift "Ostkirchliche Studien" für Berichte über die Situation der Christen vom Tur Abdin bis zum Iran zur Verfügung. Auch meine Arbeit ("Die syrischen Christen im Tür Abdin", Würzburg 1984) förderte er nach Kräften und ließ die erste Auflage im Augustinus-Verlag erscheinen (die weiteren Auflagen wurden gemäß dem Wunsch von Bischof Cicek im Kloster Mar Afrem/Niederlande gedruckt, bis heute in mehr als 20.000 Exemplaren. Der Erlös ist für die Christen im Tür Abdin bestimmt). So hat Prof. Biedermann neben seiner praktischen Hilfeleistung auch auf vielfältige Weise zur Verbreitung des Wissens über diese bedeutsame altchristliche Volksgruppe beigetragen.

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