Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 2004
Miniaturen aus den
orientalischen Kirchen
Eine Photoausstellung zum Jahr der
Bibel
Im Rahmen einer
Ausstellung zum Jahr der Bibel unter dem Titel „Miniaturen aus
den orientalischen Kirchen. Eine Photoausstellung zum Jahr der
Bibel“ von September bis Oktober 2003 im Museum von Reinbek
prä-sentierten Dr. Helga Anschütz und Dr. Boulos Harb insgesamt
67 Bilder, hauptsächlich aus dem Tur Abdin. Die Bilder stammen
alle aus dem Bildarchiv von Dr. Anschütz. Mehrheitlich
dokumentieren diese Bilder das Leben und die Kultur der
syrischen Christen zwischen 1965 und 1980. Die von seiner
Eminenz Erzbischof Jeshu Cicek mit einem Gottesdienst eröffnete
Ausstellung, wurde von zahlreichen Menschen besucht. Ergänzt
wurde die Ausstellung mit Vorträgen und Filmvorführungen zu den
syrischen Christen. Ab dem 20. August 2004 werden die Bilder im
Mar Afrem-Kloster in Losser, Niederlande ausgestellt. Hier
einige Beispiele aus der Ausstellung:
21. BLICK AUF MIDYAT
Mit 30.000 Einwohnern ist Midyat die Kreisstadt des Tur Abdin.
Dort hat der Bischof der syrisch-orthodoxen Kirche seinen Sitz.
Bis 1970 war die Bevölkerung zu gleichen Teilen christlich und
muslimisch. Heute sind die Christen bis auf einen kleinen Rest
von ca. 2000 Gläubigen, nach Europa, Australien und in die USA
ausgewandert und haben dort Asyl gefunden, weil ihre Verfolgung
anerkannt wurde. Die neuen Bewohner der Städte kommen
größtenteils aus den kurdisch- und arabischsprachigen, besonders
aus den vom Krieg heimgesuchten Grenzgebieten.
Sie besetzten die
leer stehenden Häuser der Christen.
Bereits in assyrischer Zeit war die Siedlung so bedeutend, dass
sie in den Annalen des Königs Assurnasirpal im 9. Jh. v. Chr.
als Höllenstadt „Matiate“ erwähnt wurde. Von dieser Bezeichnung
ist der Name „Midyat“ wahrscheinlich abgeleitet worden. Später
sprechen syrische Quellen vor allem von Überfällen, z. B. wurden
1145 viele Häuser der Stadt durch Räuber zerstört und die Kirche
„Mar Aksenaja“ (heute Mar Philoxenos) ausgeraubt. Trotzdem ging
das christliche Leben in der Stadt weiter. Sohdo von Midyat
schrieb 1395 ein bebildertes Evangeliar, das bis vor kurzem der
Kirche „Mart Schimuni“ gehörte. Heute wird es aus Furcht vor
Diebstahl an einem geheimen Ort aufbewahrt.
Die englische Kunsthistorikerin Gertrud Bell besuchte Midyat
kurz vor dem l. Weltkrieg. Es erschien ihr als „eine sehr
hübsche kleine Stadt mit neuen, gut gebauten und reich
verzierten Häusern, in denen der Wohlstand blühte“. Kurz danach,
nach 1915, versank diese Welt im l. Weltkrieg nochmals in
Trümmern,
Im Häusergewirr der Altstadt stehen heute noch viele Ruinen aus
dieser Zeit. Zwischen würfelförmigen Häusern sieht man schöne
Patrizierhäuser mit kerbschnittverzierten Ornamenten. Sie zeugen
vom früheren Wohlstand.
Glockentürme, deren Form an die von Minaretten erinnern, ragen
aus dem Häusermeer von Midyat hervor. Die syrisch-orthodoxen
Kirchen tragen die Namen Mar Philoxenos Aksenaja (die älteste
aus dem 6. Jh.), Mart Schimuni, Mar Scharbel (die jüngste), Mar
Barsauma (hier residierte der Chorbischof) und Joldath
Aloho/Marien Kirche, ein ehemals protestantisches Zentrum,
dessen Anhänger zumeist ausgewandert sind. Etwa in einer
Entfernung von 2 km erstreckt sich der muslimische Stadtteil von
Midyat, der sich immer mehr in den christlichen Teil hinein
ausdehnt. In dem früher siedlungsfreien Gelände dazwischen
stehen heute staatliche Verwaltungsgebäude und Schulen. Eine
Tankstelle, Reparaturwerkstätten und Geschäfte siedeln sich
heute am Stadtrand des ehemals christlichen Midyat an.
27. ZACHARIAS VERKÜNDIGUNG
Evangeliar von Hah. 1227 A.D.
Dieses Manuskript wurde für die Kirche Mar Sobo in Hah 1227 A.
D. in Salah geschrieben.
Es
wurde in einer schönen Estrangelo-Schrift kopiert und enthält
mehrere Miniaturen. Besonders in der Ausführung und in der
Ikonographie lässt sich der syrische Künstler von der
byzantinischen Miniaturkunst inspirieren. Zacharias Verkündigung
bietet eine schlichte Komposition an. Zacharia sitzt im Tempel.
Seinen Kopf umgibt ein goldener Heiligenschein. Ein Engel
schwebt in der Luft und verkündet ihm die frohe Botschaft, dass
seine schon alte Frau Elisabeth einen Sohn bekommen würde.
Zacharias Gesichtsausdruck und seine Mundbewegung verraten viel
Skepsis.
Eine syrische Inschrift in Estrangelo bricht stilistisch den
leeren Raum ober- und unterhalb des in der Luft schwebenden
Engels. Damit hat der Künstler mehr Harmonie in dem Bild
erzielt.
37. KREUZABNAHME
Lektionar von Mar Sobo in Hah. 1227 A.D.
Dieser Lektionar ist eine der wertvollsten illuminierten
Handschriften in Tur Abdin.
Er ist heute im
Kloster Mar Gabriel bei Midyat bewahrt.
Das Kloster Mar Gabriel ist bis heute eines der bedeutendsten
Klöster der syrisch-orthodoxen Kirche im Orient. Hier wurden
viele Handschriften in Sicherheit gebracht, nachdem die meisten
Christen ihre Dörfer im Tur Abdin verlassen hatten.
Diese Miniatur folgt eng dem byzantinischen Vorbild. Sie ist
eine der besten Miniaturen in diesem Lektionar. Die Szene spielt
vor einem einheitlichen Hintergrund mit Goldfarbe und
beeindruckt durch ihre schlichte harmonische Darstellung.
Die anderen Miniaturen in dieser Handschrift sind vom Stil her
ähnlich. Die Handschrift selbst ist eine der sorgfältigsten
gearbeiteten syrischen Evangeliare. Sie wurde in Estrangelo 1227
A.D. geschrieben!
47. TELEGRAPHENLINIE zwischen Istanbul und Bagdad
Evangeliar von Idil 1851 A.D.
Diese Miniatur dokumentiert ein zeitgenössisches Ereignis.
Die
Telegra-phenlinie zwischen Istanbul und Baghdad wurde zu der
Zeit verlegt, als der Evangelienlektionar von Idil (Azach) in
Arbeit war. Die Leitung verlief in der Nähe der Stadt. Der
Künstler sah in diesem Ereignis eine Verbindungsmöglichkeit
zwischen Moschee und Kirche. So ist diese Handschrift aus dem
Osten des Tur Abdin ein Dokument des Zusammenlebens der
Religionsgruppen in dieser Region.
52. NESTORIANISCHER (ASSYRISCHER) ERZBISCHOF
IN BAGHDAD
Im Sassaniden-Reich entwickelte sich die "Apostolische Kirche
des
Ostens" rasch zu einem Zentrum der Wissenschaft, Theologie,
Mystik, Astronomie, Chemie, Medizin etc. blühten. Ihre Mission
erreichte bald Indien, China und Japan. Zahlreiche christliche
„nestorianische“ Gemeinden entstanden in diesen Ländern. Im 13.
Jh. erreichte die "Nestorianische Kirche" ihren Höhepunkt mit
ca. 80 Mio. Anhängern. 27 Metropolien und 230 Bischöfen. Danach
aber wurde sie unter dem Ansturm der Mongolen bis auf wenige
Reste vernichtet.
Zwischen dem 6. und 13. Jh. leisteten die „Nestorianischen
Christen“ ei-nen wichtigen Beitrag für die Weltkultur.
Nestorianische Sprachwissenschaftler, Theologen, Mystiker,
Mediziner, Mathematiker, Astrologen usw. leisteten Bedeutendes.
Unter arabischer Herrschaft übersetzten sie die Hauptwerke der
griechischen Philosophie und Naturwissenschaften ins Arabische
und wirkten als Kulturvermittler zwischen Morgen- und Abendland.
|