Mar Gabriel Verein -
Mitteilungsblatt 2002
Ist
der Koran aramäischer Herkunft?
Die
Koranstudie von Christoph Luxenberg
"Die syro-aramäische Lesart des Koran"
Die
internationale Presse (Guardian, New York Times,
Herald Tribune, La Stampa, Neue Zürcher,
Luxemburger Wort) hast sich kürzlich der bereits
im Jahre 2000 in Berlin erschienenen Studie des
Linguisten Christoph Luxenberg mit dem Titel:
"Die syro-aramäische Lesart des Koran"
angenommen. Hier nun eine Zusammenfassung der
Hauptergebnisse dieser Publikation.
Der Koran, die heilige Schrift des Islam, gilt
nach islamischer Lehre als das dem Propheten
Mohammed über rund 20 Jahre (ca. 612-632 n. Chr.)
in "deutlicher arabischer Sprache" (nach
Aussage des Koran) geoffenbarte Wort Gottes.
Dennoch gestehen die namhaftesten arabischen
Kommentatoren, die im großen (30 bändigen)
Korankommentar von at-Tabari (838-923 n. Chr.) zu
Wort kommen, ihre Ratlosigkeit bei der Deutung
zahlreicher Ausdrücke und Passagen des
Korantextes ein. Der Grund dafür wird auf die
Eigentümlichkeiten der Sprache von Mekka zurückgeführt,
die die späteren Araber nicht mehr kannten.
Die ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts
einsetzende abendländische Koranforschung hat
sich ihrerseits der Problematik der Koransprache
gewidmet. Über die etymologische Erklärung
einer begrenzten Zahl von Fremdwörtern im Koran
kam sie jedoch bisher nicht hinaus. Die letzen
uns vorliegenden Standartübersetzungen der als
Autoritäten anerkannten westlichen Koranforscher
Rudi Paret (Deutschland), Régis Blachère (Frankreich)
und Richard Bell (England) geben in weiten Teilen
ihrer Deutungsversuche die Unsicherheiten der
arabischen Kommentatoren wieder. Aus ihren Übertragungen
werden die Grenzen deutlich, die einer
effizienten westlichen Koranforschung gesetzt
sind.
Hier setzt die neue Arbeit von Christoph
Luxenberg ein. Von den dunklen Stellen" im
Koran ausgehend, besteht sein Ansatz darin, den
Korantext in seinem sprachhistorischen Kontext zu
betrachten. Der Koran gilt als das erste in
arabischer Sprache verfasste Buch. Er ist zu
einer Zeit entstanden, als das Arabische noch
keine Schriftsprache war und aus einzelnen
gesprochenen Dialekten bestand. Gebildete, z.T.
christianisierte Araber bedienten sich ihrerseits
des Aramäischen als Schriftsprache. Aramäisch
war über ein Jahrtausend lang in ganz Westasien
die Lingua franca. Mit der Bibelübersetzung im 2.
Jh. hatte das Syro-Aramäische als Schriftsprache
der christlichen Aramäer (nunmehr "Syrer"
genant) das frühere Aramäisch weitgehend abgelöst.
In dessen Umfeld ist der Koran entstanden. Das
Wort "Koran" selbst ist nicht arabisch,
sondern syro-aramäisch und bezeichnet ein
liturgisches Buch, der christlichen Syrer. Dem
entspricht im Abendland das "Lektionar",
aus dem die "Lesungen" im christlichen
Gottesdienst vorgetragen werden.
Für den Autor war es nunmehr nahe liegend, dass
das Wort "Koran" (aus syro-aramäisch
Qeryan entlehnt) den Schlüssel zum Verständnis
seiner Sprache in sich birgt. Hatten die Araber
seinerzeit noch keine Schriftsprache, so muss
angenommen werden, dass die gebildeten
Koranredaktoren ihre Vorbildung im syro-aramäischen
Kulturraum erlangt hatten. Als Initiatoren einer
arabischen Schriftsprache, für die es noch keine
Hilfsmittel gab, liegt es auf der Hand, dass sie
beim Versuch , ihre aramäisch konzipierten
Gedanken ins Arabische zu übertragen, Elemente
ihrer Kult- und Kultursprache verwendeten. Dies
um so mehr, als der Koran, aramäisch verstanden,
wiederholt von "Übertragung aus der (Fremdsprachigen)
Schrift ins Arabische" spricht. Damit meint
er sicherlich nicht eine wortwörtliche Übersetzung,
sondern - schon rein formal durch die
gelegentlich rhythmische Reimprosa bedingt, ähnlich
den Hymnen des syrischen Officiums - eine sinngemäße
Verarbeitung von biblischem und sonstigen jüdisch-christlichem
Material. Insoweit versteht sich der Koran ursprünglich
als Vermittler der "Schrift" in
arabischer Sprache. Der Autor stellt im Ergebnis
seiner Sprachanalyse fest, dass der Korantext
nicht aus einem arabischen Dialekt (den auch spätere
Mekkaner nicht verstanden hätten) sondern
wahrscheinlich eher aus einer aramäisch-arabischen
Mischsprache besteht. Dieser Befund wurde bisher
deshalb übersehen, weil Aramäisch und Arabisch
(wie auch Hebräisch) semitische
Schwestersprachen sind, die von der
Wurzelstruktur her beliebig vertauschbar sind,
semantisch aber sich teilweise wesentlich
unterscheiden (vgl. Deutsch "bellen"
und niederländisch "bellen = klingeln"
oder deutsch "bekommen" und englisch
"to become = werden"). Leicht
vorstellbar sind daher die Klippen von Lehnübersetzungen,
bei denen sich erhebliche Sinnverschiebungen
ergeben können. In arabischer Schrift
geschrieben, sind die semantischen Unterschiede
verwischt. Die Sprache liest und hört sich
Arabisch an, zumal sie nach den Regeln des rund
150 Jahre später normierten Schriftarabischen
festgelegt wurde. Doch die transzendierte
Vorstellung der arabischen Exegeten vom Koran als
dem Urwort Gottes wie auch die der sog.
altarabischen Poesie angepasste "klassische"
Sprachform des Koran, von der die relativ junge
westliche Arabistik sich besonders beeindruckt
zeigt, verhinderten bisher eine sprachhistorische
Betrachtung der Koransprache.
Durch die Rückgriffe auf das Syro-Aramäische
und eine (auf der Basis einer im wesentlichen aus
fünf Punkten bestehenden Methode) exakt geführte
etymologische semantische Analyse weist der Autor
nunmehr konsequent die vermutlich christlich-syrische
Provenienz einzelner Suren der frühen
mekkanischen Periode nach. Reminiszenzen an eine
frühere christliche Abendmahlliturgie werden
deutlich, wenn man die Arabisch missdeuteten
Ausdrücke aramäisch versteht. Der Wein, des
letzten Abendmahls, dessen Genuss im Himmelreich
in Aussicht gestellt wird, bildete die Grundlage
für die Symbolik der Weinreben mit denen das
christliche Paradies ausgestattet sei. In syrisch-christlichen
Hymnen des Kirchenlehrers Ephraem der Syrer (306-373
n. Chr.) wurden solche Weinreben besungen. Diese
berühmt gewordenen Hymnen, die schon früh u.a.
ins Griechische und Armenische übersetzt wurden,
fanden ihren Niederschlag auch im Koran.
Allerdings wurden die entsprechenden Passagen,
teilweise durch die mehrdeutige frühe arabische
Schrift bedingt so verlesen und missdeutet, dass
deren ursprünglicher Sinn nicht mehr zu erkennen
war. So wurde aus dem Adjektiv "hur",
das syro- aramäisch "weisse Weintrauben"
bezeichnet, sog. "Huris oder
Paradiesjungfrauen", aus dem syro-aramäisch
metaphorisch gemeinten Ausdruck "´en"(wörtlich
"Augen") = "Juwelen(gleich)"-
sofern die "weißen Weintrauben" mit
"Perlen" verglichen werden -, wurden
"Großäugige (Huris), deren Augenweiß mit
dem Schwarz kontrastiert"; aus "Erstlingsfrüchten",
unter denen die Seligen "behaglich"
liegen werden, wurden "(Ewige) Jungfrauen"
mit denen sie "verheiratet" werden",
aus den in der "Weinlaube tief herabhängenden
Zweigen" wurden "in Zelten abgesperrte
(vor fremden Blicken abgeschirmte Huris) mit züchtig
gesenkten Blicken (die nur auf ihre Gatten beschränkt
bleiben)", aus der Makellosigkeit der
paradiesischen Weintrauben die niemand vor den
Seligen "berührt" hat, wurden "Jungfrauen",
die noch niemand vor ihnen "entjungfert"
hat; aus den "hochgezogenen Weinlauben"
wurden "dick gepolsterte Betten" oder
"erhöhte Teppiche" (auf denen die
Huris zu Diensten stehen); aus den "üppigen
und saftigen (Früchten)" wurden schließlich
"vollbusige, junge (Huris)".
Desgleichen erweisen sich die vermeintlichen
"ewig jungen Knaben oder Burschen" syro-aramäisch
als "eisgekühlte Früchte", die
wiederum - wie die "Huris" - mit "Perlen"
verglichen werden.
Bei derartigen Fehllesungen und missdeuteten
Glaubensinhalten der heiligen Schrift des Islam
drängen sich Fragen auf. Dass die bisherige
Lesung des Koran durch eine auf den Propheten zurückreichende
mündliche Überlieferung gesichert sei, wie die
islamische Tradition lehrt, entbehrt jeglicher
Objektivität. Dies ist eine wichtige
Feststellung für die künftige Koranforschung.
Linguisten, Theologen, Religions- und
Kulturhistorischer sind jetzt gefordert. Dass der
Islam eine synkretistische Religion ist, die jüdisch-
christliche wie auch vorislamisch- arabische
Komponenten zu einem originellem Gefüge verknüpft
hat, ist der Religionswissenschaft längst
bekannt. Doch durch die Entschlüsselung mancher,
bisher nicht verstandener Koranaussagen zeigt die
neue Studie die ursprüngliche Nähe des Koran
zum Christentum in einem neuen Licht. Dabei geht
es nicht um eine Verunglimpfung des Islam. Der
Koran ist nicht daran schuld, wenn Menschen aus
Unwissen ihn dermaßen missverstanden haben.
Muslime sind am ehesten an einer Klärung der
Koransprache interessiert. Die hohe Verehrung,
die sie ihrer heiligen Schrift entgegenbringen,
wird ihnen dazu verhelfen, zwischen der
bisherigen missdeuteten Koranexegese und dem
sprachhistorisch wohlverstandenen Korantext
scharf zu trennen. In einem Europa, wo der Islam
zu einer festen Größe geworden ist, wäre diese
Einsicht ein entscheidender Schritt im Sinne
eines konstruktiven Dialogs. In einer
demokratisch-pluralistischen Gesellschaft ist die
Relativierung des eigenen Glaubens
Grundvoraussetzung für den gegenseitigen Respekt
und für freiheitlich-demokratisches Denken.
Das vorgestellte Werk ist in erster Linie eine
sprachwissenschaftliche Studie. Sie sollte als
Grundlage zu einer weiterführenden Diskussion
dienen.
Bodo Boost
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Christoph Luxenberg, Die syro-aramäische Lesart
des Koran, Ein Beitrag zur Entschlüsselung der
Koransprache, Berlin, Das Arabische Buch, 2000,IX
311 S., 29,70
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