Mar Gabriel Verein -
Mitteilungsblatt 2002
Oriens
Christianus:
Geschichte und Gegenwart des nahöstlichen
Christentums
Eine Ringvorlesung an der Friedrich-Alexander
Universität
Erlangen-Nürnberg
Der
Thematik des Christentums im Nahen Osten widmete
sich eine interdisziplinäre Ringvorlesung, die
im Wintersemester 01/02 an der Universität
Erlangen stattfand. In acht Vorträgen stellten
in- und ausländische Wissenschaftler aus
Theologie, Archäologie und Semitistik den religiösen
und kulturellen Charakter des Christentums in der
Südosttürkei, Syrien, Palästina und dem
Libanon dar und gingen auf aktuelle Probleme in
der Region ein. Die Reihe war unerwartet gut
besucht, oft fanden Zuhörer keine Sitzplätze im
Vorlesungssaal und mussten stehend den Vorträgen
folgen.
Unterstützt wurde dieses Projekt vom
Evangelischen Studienwerk Villigst, dem Rektor,
dem Institut für Systematische Theologie und dem
Institut für Außereuropäische Sprachen und
Kulturen der Universität Erlangen-Nürnberg. Es
fanden folgende Vorträge statt:
1. 25.10.2001: Prof. Dr. Peter Bruns: Kreuz
unter dem Halbmond. Orientalisches Christentum
von Mohammed bis zur Mongolenzeit
Bis zum Auftreten des Islam im 7. Jh. war ein großer
Teil des Nahen Ostens christlich. Das
Missionsgebiet der orientalischen Kirchen
erstreckte sich bis nach Südindien, Innerasien
und China. Durch die Ausbreitung des Islam und
die verheerenden Mongolenstürme im 12./13. Jh.
verlor das Christentum viele seiner Anhänger,
konnte sich aber in Form einzelner
Nationalkirchen als religiöse Minderheit bis auf
den heutigen Tag behaupten.
2. 08.11.2001 Prof. Dr. Gunnar Brands: Wallfahrt
und Pilgerstätten im spätantiken Orient (Diavortrag)
Nachdem das Christentum unter Konstantin I. den
gleichen Status erlangt hatte wie andere
Religionen, bildete sich in nur wenigen
Jahrzehnten die christliche Wallfahrt in der Form
heraus, wie sie bis ins Mittelalter und die Frühe
Neuzeit hinein kulturprägend gewesen ist. Der
Vortrag gibt einen Eindruck von den spätantiken
Pilgerzentren im östlichen Mittelmeerraum und
ihren politischen, religiösen und ökonomischen
Besonderheiten.
3. 22.11.2001 Prof. Dr. Karl Christian Felmy: Liturgische
Besonderheiten der nahöstlichen Kirchen
Im westlichen Teil Syriens sind die meisten und
wichtigsten der Liturgieformulare entstanden, die
noch heute in den Kirchen des Ostens gebräuchlich
sind. Der Vortrag geht auf die Entstehung der
Liturgie in Syrien ein und stellt die heutige
Liturgie der Westsyrer und ihre Verankerung im
Leben der Gläubigen dar.
4.06.12.2001 Prof. Dr. Andreas Feldtkeller: Juden,
Christen und Muslime in Palästina
Auch nachdem der Islam als letzte der drei
monotheistischen Religionen auf der Bühne der
nahöstlichen Geschichte erschienen war, gab es
weiter ein Zusammenleben mit Judentum und
Christentum, und zwar bis heute. Der Vortrag
zeigt auf, wie tief die Bedingungen und
Schwierigkeiten der heutigen Koexistenz in der
1400jährigen gemeinsamen Erfahrung verwurzelt
sind.
5. 20.12.2001 Prof. Dr. Werner Arnold: Sprachen
und Literatur der Christen im Vorderen Orient
Nach einem kurzen Streifzug durch die Geschichte
der christlichen aramäischen und arabischen
Literatur werden die heute von Christen im
Vorderen Orient gesprochenen Sprachen und
Dialekte vorgestellt. Der Vortrag geht besonders
auf den Niedergang des Aramäischen, aber auch
auf das langsame Aussterben der arabischen
Dialekte der Christen in der Türkei ein.
6. 10.01.2002 Prof. Dr. Hans Hollerweger: Tur
Abdin - ein gefährdetes christliches Erbe in der
Südosttürkei (Diavortrag)
Der Tur Abdin, der "Berg der Gottesknechte",
gehört durch seine einmaligen Klosterkirchen,
besonders jene mit dem "Querraum", und
durch seine alten Pfarrkirchen zu den kulturell
bedeutendsten altchristlichen Gebieten. Nur noch
eine kleine Zahl von Christen, die bis heute im
Alltag das Aramäische sprechen, hütet dieses
kostbare Erbe.
7. 24.01.2002 Dr. Georges Tamer: Die
antiochenisch-orthodoxe Kirche im Libanon und in
Europa
Die orthodoxe Kirche von Antiochia ist eine der
Urkirchen. Sie hat nicht zuletzt durch die
Begegnung mit Byzanz und die Existenz "im
Land des Islam" theologische und historische
Züge gewonnen, die in ihrer Bedeutung noch heute
spürbar sind. Im Vortrag wird die Geschichte
dieser Kirche im Orient und in der europäischen
Diaspora dargestellt.
8. 07.02.2002 Prof. Dr. Wolfgang Hage: Die
orientalischen Kirchen in Europa
Die Migrationsbewegung unserer Tage hat dazu geführt,
dass Kirchen, die auf eine jahrhundertealte
Geschichte im Orient zurückblicken, nun auch mit
einer wachsenden Anzahl ihrer Gläubigen in
Europa vertreten sind. Im Mittelpunkt stehen hier
vor allem die "altorientalischen"
Kirchen der Armenier, Kopten und Syrer, die mit
ihren Traditionen das konfessionelle Bild unserer
Länder bereichern.
Zum Abschluß der Ringvorlesung gab der Rektor
der Universität Erlangen-Nürnberg im Anschluß
an den Vortrag von Prof. Dr. Hage einen Empfang
im Schloß. Zu dieser Veranstaltung war auch
seine Eminenz Mar Dionysius Isa Gürbüz,
Patriarchalvikar der syrisch-orthodoxen Kirche in
Deutschland eingeladen. Der Einladung war der
Bischof trotz terminlicher Schwierigkeiten
zusammen mit Herrn Murat Üzel aus Berlin
gefolgt, um seine Kirche zu vertreten. In einem
in aramäischer Sprache gehaltenen Grußwort,
bedankte er sich für die Mühe der Veranstalter
und für das allgemeine Interesse an seiner
Kirche.
Die im Rahmen der Ringvorlesung gehaltenen Vorträge
werden von Frau Dr. Sabine Gralla, die für die
Organisation der Vorlesungsreihe verantwortlich
war, in einem Sammelband herausgegeben, der in kürze
mit dem gleichen Titel wie die Ringvorlesung beim
Lit-Verlag in Hamburg erscheinen soll.
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