Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 2002


 Im syrischen Konvent in Jerusalem
- Wilm Sanders, Hamburg -

Vor dem westlichen Palmsonntag konnte ich eine Woche im Heiligen Land alte Freunde und Bekannte (israelische und arabische) besuchen. Aus den Gesprächen ergab sich damals schon eine große Ratlosigkeit über das künftige friedliche Zusammenleben. Leider hat sich die Situation seit dem jüdischen Pessach-Fest dramatisch (und für viele unvorhersehbar) verschlechtert, so dass nur das alte Reinhold-Schneider-Wort helfen mag: "Allein den Betern kann es noch gelingen ...".
Am Mittwoch, dem 20. März 2002, machte ich einen Besuch im syrisch-orthodoxen St.-Markus-Konvent. Leider war Bischof Mor Severius, seit 1996 syrisch-orthodoxer Patriarchalvikar in Jerusalem, nicht im Lande. Auch der Pfarrer war zur Zeit meines Besuches nicht anwesend. Aber ich traf und lernte kennen, Schwester Yostina, die mir in großer Begeisterung noch einmal die ganze Kirche erklärte, vor allem aber mich aufmerksam machte auf die alte Marien-Ikone, die nach der örtlichen Tradition vom hl. Lukas selber gemalt wurde. Diese Ikone gilt seit langer Zeit als wundertätiges Gnadenbild. Schwester Yostina wusste eine Reihe von wundersamen Heilungsgeschichten zu erzählen. Eine davon ist allerdings besonders bemerkenswert und auch durch einen englischen Brief, in Glas neben der Ikone eingerahmt, dokumentiert:
Am 18. Oktober 2000 betete und meditierte ein anglikanischer Geistlicher mehrere Stunden vor diesem Bild. Er hatte mit Mühe und Schmerzen noch einmal eine Heilig-Land-Reise unternommen, nachdem die Ärzte in England ihm eröffnet hatten, dass er mit seinem Prostata-Krebs nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Wochen habe. Während des Aufenthaltes in der Kirche fühlte er sich plötzlich deutlich besser und in England schließlich konnten die Ärzte keine Spuren von Krebs mehr feststellen. Das hat er dann mit dem genannten Dankbrief an den Konvent bezeugt. Schwester Yostina war doppelt bewegt, als ich darauf hinwies, dass in der westlichen und byzantinischen Tradition am 18. Oktober das Fest des hl. Lukas begangen wird.
Im St.-Markus-Konvent soll man nie den Besuch des Obergemaches versäumen. Das ist ja nach einer glaubwürdigen Tradition die Stelle des Abendmahles und Pfingstgeschehens im Hause der Eltern des hl. Markus. Durch die Anhebung des Straßenniveaus im Lauf der Jahrhunderte liegt dieser Raum vom ersten Geschoss des alten Hauses heute allerdings im Keller des Konvents.
Die Oberhäupter der religiösen Gemeinschaften des Heiligen Landes verabschiedeten im Januar eine sog. "Erste Erklärung von Alexandria", die den dringlichen Wunsch nach dauerhaftem Frieden zum Ausdruck bringt. Die Unterzeichner, Juden, Christen und Muslime formulieren: "Das Heilige Land ist unseren drei Glaubensgemeinschaftenn heilig. Deshalb müssen die Angehörigen der göttlichen Religionen die Heiligkeit des Landes respektieren und verhindern, dass dieses durch Blutvergießen beschmutzt wird. Die Heiligkeit und Integrität der Heiligen Stätten müssen bewahrt und die Freiheit der Religionsausübung gewährleistet werden. ... Als religiöse Oberhäupter geloben wir, das gemeinsame Streben nach einem gerechten Frieden fortzusetzen. Dieser soll zu einer Versöhnung in Jerusalem und im Heiligen Land führen, zum gemeinsamen Wohl aller unserer Völker ...."
Es war ein besonderes Erlebnis für mich, die öffentliche Bekanntmachung dieser Erklärung in Jerusalem bei einem Empfang und Pressegespräch unter dem Vorsitz des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury George Carey miterleben zu dürfen. Ein Besuch führte mich auch in das pilger- und touristenleere Bethlehem und in die Geburtskirche, wo ich zeitweise ganz allein war. Über menschenleere Straßen kam ich auch an der syrischen Kirche in Bethlehem vorbei. Dass wenige Tage später die Geburtskirche von Palästinensern besetzt würde und dass die syrische Kirche mit Sprengsätzen versehen worden war, lag außerhalb jeder Vorstellungskraft.

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