Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 2001


Ostern 2001 im TUR ABDIN
Nabil Moser

Der Tur Abdin eröffnet sich einem nicht durch das Lesen von Lektüren oder durch das Betrachten von Fotos. Um sich ein Bild vom Tur Abdin zu machen, muß man den Lebenswandel der Menschen erlebt haben. Sie sind es, die den Tur Abdin ausmachen. Aus diesem Grund möchte ich von meinen Erfahrungen berichten, die ich in einer Reise zu Ostern mit den Menschen im Tur Abdin gemacht habe.
Bei unserem Besuch der Kirche der 40 Märtyrer in Mardin machen wir unsere ersten Erfahrungen mit den 'Tur Abdinern'. Ein im Rollstuhl sitzender Querschnittsgelähmter Kurde kommt mit seinen Angehörigen in die Kirche. Er wendet sich an unseren Priester, um mit ihm über Erlösung und Glauben zu sprechen. Wie man der Familie ansehen konnte erfüllte alle das Gespräch mit Freude und Zuversicht. Das war meine erste Erfahrung dieser Art.
Daß sich vieles verändert hat im Tur Abdin machte uns auch das nächste Ereignis deutlich. Eine Schulklasse mit türkischen Kindern kam zu Besuch in die Kirche. Sie erkundigten sich über das Christentum und die Kirche und wirkten alle sehr aufmerksam und interessiert. Für mich eine sehr positive Entwicklung.
Ein weiterer Ort den wir besucht haben ist Bsorino. Vom Dach der Kirche von Bsorino hat man einen wirklich guten Überblick über das Dorf. Man gewinnt aber auch einen sehr guten Überblick über das Verhältnis der 'Tur Abdiner' zu ihren Heiligen. Denn allein um das Dorf Bsorino finden sich mehr als 5 Stätten, die für die Heiligen errichtet wurden. Die Heiligen werden sehr verehrt und viele, die im Glauben an die Befreiung von ihrem Leiden an die Stätten der Heiligen herantreten, werden von ihrem Leid befreit.
Der Anblick der Kirche Mor Hadhbschabo von Ainwardo stimmt uns traurig und ein wenig nachdenklich. Denn die Kirche hat viele Risse und muß dringend erneuert werden, aber ich frage mich, ist das der Anblick der Kirche oder ist es nicht eher der Anblick derer, die die Kirche verlassen haben und nun ihr Heil im Westen suchen.
In Miden wurden mir zwei Dinge bewußt. Es herrscht immer noch Leben im Tur Abdin. In Miden gibt es mehr als 40 christliche Familien und darunter viele Kinder. Aber auch die andere Seite wurde mir bewußt. Die Furcht vor Verbrechen gehört immer noch zum Bestandteil des Lebens. Auch wenn diese Furcht im Vergleich zu früheren Zeiten zurückgegangen ist, regen einzelne Schicksal wie die Entführung des christlichen Lehrers von Miden immer wieder Besorgnis unter den Christen aus. Aus diesem Grund sollten wir unsere Brüder und Schwestern im Tur Abdin unterstützen und niemals vergessen.
Der Lehrer wurde nach 7 Monaten wieder frei gelassen. Die Entführer sind bis heute unbekannt geblieben.
Der Glaube der Menschen im Tur Abdin hat mich sehr beeindruckt. Denn die meisten sind keine großen Bibelkenner und verstehen auch nicht viel von Philosophie, aber ein größerer Glauben ist mir selten begegnet. Und ob alt oder jung, alle wirken mit daran, daß unser Glaube aufrecht erhalten bleibt und daß die Kirchen und Klöster bestehen bleiben. Als eines von vielen Beispielen fallen mir dazu die Frauen von Bekusyone ein, die ihre Mittagsgebete neben der Kirchenmauer abhalten, weil der Schlüssel für das Tor zur Kirche nicht aufzutreiben war. Nehmen wir uns alle ein Beispiel an den Frauen von Bekusyone.

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