Mar Gabriel Verein -
Mitteilungsblatt 1998
Ein
ökumenisches Wochenende der Philoxenia mit der
Alten Apostolischen Assyrischen Kirche des Ostens
im Kloster Nütschau
Der Freundeskreis
der Philoxenia traf sich in Zusammenarbeit mit
dem Deutsch-Libanesischen Verein in Reinbek und
dem Verein Mar Gabriel vom 20.-22.2.98 zu seiner
alljährlichen Regionaltagung im Kloster Nütschau.
Erstmals war dieses Wochenende einer Begegnung
mit der Alten Apostolischen Kirche des Ostens
gewidmet.
Der Bischof von Europa, Mar Odisho Oraham, war
aus Schweden gekommen, wo seine Kirche ein neues
Zentrum aufbaut. Er wurde von Priester Emanuel
Youkhama und mehreren in Deutschland verstreut
lebenden Kirchenanhängem begleitet. Die meisten
"Assyrer" - als solche verstehen sich
die Anhänger dieser alten Kirche - stammen aus
dem Irak, von wo sie vor den innerkurdischen Kämpfen,
den türkischen Strafexpeditionen gegen die PKK,
sowie dem Druck kurdischer Kriegsparteien und
Untergrundkämpfer geflüchtet sind. Sie stammen
zumeist aus der kurdischen "Sicherheitszone"
oder auch aus Nordost-Syrien, wo sich der Druck
eingewanderter Kurden auf die dort seit dem l.
Weltkrieg angesiedelten Christen verstärkt. Die
größte assyrische Gemeinde hat sich in
Wiesbaden gebildet und wird von Priester Emanuel
seelsorgerisch betreut.
Für die etwa 110 Teilnehmer dieser Begegnung tat
sich an diesem Wochenende eine neue Welt auf.
Obwohl die als "nestorianische"
bekannte alte Kirche in ihrer Blütezeit zwischen
dem 7. und 14. Jahrh. mit mehr als 80 Mio. Anhängern
die bedeutendste ihrer Zeit war, geriet sie doch
nach der Verurteilung ihres bekanntesten
Kirchenlehrers Nestorius im Konzil von Ephesus
431 im Abendland später in Vergessenheit.
Zeiten der Verfolgungen unter der persischen
Herrschaft wechselten mit Blütezeiten unter
Persem und Kalifen ab. Im 13. Jahrh. umfaßte die
nestorianische Kirche 230 Bistümer von
Mesopotamien und Persien über Mittelasien bis
nach China hin. Ihre Gelehrten, Schriftsteller,
Übersetzer und Ärzte waren in der damaligen
Welt berühmt. Um 1400 bereiteten die Horden des
Tartarenkhans Timur dieser christlichen Kultur
ein Ende. Reste der einstmals bedeutenden Kirche
fristeten in den abgelegenen Regionen des
Kurdischen Berglands, immer wieder verfolgt von
herandrängenden Kurdenstämmen, ein kümmerlisches
Leben, das sie als Emigranten schließlich in die
Städte des Vorderen Orients, nach Rußland,
Amerika, Australien und endlich auch nach Europa
führte.
Heute leben - nach Angaben von Mar Odisho Oraham
- in den USA etwa 160.000, in Australien etwa 25.000,
in England, Schweden und Griechenland je ca. 4.000,
im Iran ca. 30.000, im Irak ca. 60.000, in Syrien
ca. 5.000, im Libanon ca. 3.000, in Rußland und
in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion ca. 50.000,
in Indien ca. 10.000 und in Deutschland ca. 2.000
Anhänger der Alten Apostolischen, Assyrischen
Kirche des Ostens, insgesamt nicht mehr als höchstens
300.000.
Den Höhepunkt des ökumenischen Treffens bildete
die Pontifikalliturgie mit Bischof Mar Odisho
Oraham, der assyrischen Gemeinde und dem Chor aus
Wiesbaden, der einige alte Hymnen auf Syrisch-Aramäisch,
auch vom Heiligen Ephraim von Edessa (Mar Afrem),
nach alter Tradition sang.
Eine Vertiefung des Erlebten brachte der Vortrag
des Syrologen Dr. Boulos Harb: "Die
nestorianische Kirche - ein historischer Abriß".
Dr. Helga Anschütz verdeutlichte die Lage der
Assyrer mit den Filmen "Vergessene Christen
im Orient" - ein historischer Film von 1968
aus dem Tur Abdin und dem Iran, sowie "Khomeinis
Christen" von 1981. Sie zeigte die
Entwicklungslinien bis zur Gegenwart auf.
Wie immer bei diesen Treffen, vervollständigten
Berichte aus den orthodoxen und altorientalischen
Gemeinden. Kirchen und Ländern das Bild einer
großartigen, bei uns aber leider noch immer
weitgehend unbekannten christlichen Welt, die uns
näher zu bringen eine wichtige Aufgabe der
Philoxenia ist.
(Helga Anschütz)
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