Die
Sprache der syrischen Christen (3)
Die Botschaft vom Kreuz
in der Sprache Jesu
Auszug aus einem Festvortrag von Pastor Dr. Hansjörg
Bräumer ( Celle, Lobetalarbeit)
Im alten Testament haben wir ein Zeugnis dafür,
daß beide Sprachen, Hebräisch und Aramäisch,
von Anfang an gesprochen wurden. Sie kennen die
Geschichte von Jakob, seinem Dienst bei Laban,
und wie er dann mit seinen Frauen beschloß zu flüchten,
wie Laban ihn einholte und wie es zur Versöhnung
kam. Bei ihrer Trennung nennt Jakob auf Hebräisch,
Laban aber auf Aramäisch den gemeinsam aufgetürmten
Steinhaufen "Hügel des Zeugnisses" (l.Mose
31,47).
Es ist nicht anzunehmen, daß Jakob und Laban so
verschiedene Sprachen gesprochen haben, daß sie
einen Dolmetscher gebraucht hätten in den 14 und
mehr Jahren, sondern es ist eher anzunehmen, daß
sie sich gegenseitig sowohl hebräisch als auch
aramäisch verständigen konnten.
Das Hebräische und das Aramäische blieben
bewahrt. Das Hebräische wurde zur
Gelehrtensprache, während das Aramäische
Umgangssprache blieb. Als Umgangssprache fand es
auch in einigen Büchern des Alten Testaments
Eingang. Wer das Alte Testament aus dem Urtext übersetzen
will, der muß mindestens für das Danielbuch von
Kapitel 2 bis 7 Aramäisch können und auch Esra
4 und 7 sind in aramäischer Sprache abgefaßt.
Zur Zeit Jesu war das Aramäische Volkssprache.
Jesus lehrte und betete, unterrichtete und
predigte auf Aramäisch. Nicht nur die
Satzkonstruktionen unseres griechischen Textes
weisen darauf hin, sondern eine ganze Fülle von
Ausdrücken, die nicht übersetzt wurden, zeigen,
daß er Aramäisch sprach. Ich nenne einige, die
Sie alle kennen:
"Abba" = Vater ( Mark. 14.36), "Hephata"
= Öffne dich! (Mark. 7,34), "Talitha kumi"
= Mägdlein, stehe auf (Mark: 5,41), Jesu Ruf am
Kreuz: "Eli, Eli lama sabachthani" (Mark.
15,34), und der Ruf der Urgemeinde, der bei jedem
Abendmahl erschollen ist: Komm bald, komm Herr
Jesu: "Maranatha" (l.Kor. 16,22).
Ich möchte Sie nun einladen, einige Stellen aus
der Botschaft Jesu auszulegen und
nachzuvollziehen, wie sie aramäisch klingen und
vom Aramäischen her zu verstehen sind. Ich
beginne mit einer sehr bekannten Stelle: Luk. 14,
Vers 26. Dort heißt es im griechischen Neuen
Testament nahezu in allen Übersetzungen: "So
jemand zu mir kommt und haßt nicht seinen Vater
und seine Mutter, der kann nicht mein Jünger
sein". Sie wissen, wie schwer dieses
auszulegen ist. Wie ist diese Stelle in Einklang
zu bringen mit dem Gebot "Du sollst Vater
und Mutter ehren, auf daß Du lange lebest in dem
Lande, das der Herr, Dein Gott, Dir gibt? Die Lösung
liegt für mich in dem aramäischen Wort saney.
Saney heißt im Aramäischen sowohl hassen als
auch zur Seite setzen, an die zweite Stelle
setzen. Übersetzen Sie dieses Wort aus dem Aramäischen,
dann heißt es: Wer Vater oder Mutter nicht an
die zweite Stelle setzt, der kann nicht mein Jünger
sein.
Ich gehe nun in den anderen Beispielen in
Anlehnung an einen Kommentar des aus Kurdistan
stammenden Theologen Lamsa ein Stück auf das
Leben der aramäischen Bevölkerung ein. Ein aramäisches
Wort, das bis heute noch in unserer Bibel steht,
ist raka. Sie kennen die Stelle: "Ich aber
sage Euch, wer mit seinem Bruder zürnt, der ist
des Gerichts schuldig. Wer aber sagt zu seinem
Bruder "raka", der ist des Hohen Rates
schuldig. Wer aber sagt, "Du gottloser Narr",
der ist des Feuers schuldig".
Vor einer Dorfkirche im Tur Abdin (Helga Anschütz,
ca. 1972)
Der aramäische Stamm des Wortes
raka heißt spucken. Es gab unter der aramäischen
Bevölkerung die Gewohnheit des Anspuckens, des
Anspeiens. Während hitziger Auseinandersetzungen,
so wird berichtet, spucken sie sich ins Gesicht.
Wenn Handelsleute und ihre voraussichtlichen Käufer
sich nach langem Feilschen über den Preis der
Ware nicht einigen können, dann speien sie
einander an, sobald sie sehen, daß das Geschäft
nicht zum Erfolg führt. Es gibt ein aramäisches
Sprichwort, das heißt: "Raka arek na hapeck"
- ich werde Dir ins Gesicht spukken. Dieses
Sprichwort bedeutet: Ich breche jede Verhandlung,
jedes weitere Reden, jeden Kontakt mit Dir
radikal ab, ich habe keine Gemeinschaft mehr mit
Dir. Ich habe in einigen Texten gelesen und möchte
es Ihnen nicht verheimlichen, daß sogar Priester
und Rabbiner nicht zurückstanden, diese
beleidigende Unsitte aneinander auszuüben.
Ich komme nun zu einem letzten Beispiel: "Ja,
Ja; Nein, Nein sei eure Rede, was darüber ist,
das ist vom Übel." Auch dieses Wort ist nur
in seiner Schärfe zu verstehen aus dem
Handelsgeschäft des Orients, wie es bei den Aramäern
in Malula in der Abgeschiedenheit, aber auch bei
Beduinen und Arabern vorkommt. Wenn Händler und
Käufer sich beim Markten über den Preis nicht
einigen, schwören sie meistens, um ihre
Ehrlichkeit zu beweisen. Sie leisten einen Eid
und fügen bei: "Im Namen Gottes und seiner
Heiligen Engel, dieses Paar Schuhe kostete mich 6
Pfund, aber Du kannst sie für 3 Pfund haben".
Wenn solche Beteuerungen kein Ergebnis zeitigen,
folgt oft etwas Ähnliches wie: "Wenn ich
Dich anlüge, bin ich der Sohn eines Hundes. Die
Schuhe kosten mich 3 Pfund, aber ich will sie Dir
für eineinhalb Pfund lassen". Auf all dies
antwortet der argwöhnische Käufer: "Beim
Haupt meines einzigen Sohnes, ich zahle Dir nicht
mehr als l Pfund".
Dieses Handeln ist in seinem Ursprung nicht nur
ein Hobby, wie es heute zum Teil der Fall ist,
sondern war verbunden mit einer ganzen Kette von
falschen Schwüren. Hat dann durch das falsche
Schwören, bei dem Heiligen Namen, bei dem Tempel,
bei Gott, bei seinem eigenen Leib oder bei seinem
Sohn oder was auch immer Erfolg gehabt, dann
reizt es natürlich den anderen, diese Dinge
genauso weiterzutreiben. Diesem Treiben gegenüber
sagt Jesus: Es soll nur eines geben: Ein Ja, Ja
in diesem Handel oder ein Nein, Nein. Deshalb
sagt Jesus: "Du sollst nicht schwören,
weder bei Gott noch bei Deinem Leben, denn Du
hast es Dir nicht gegeben, sondern die Rede sei
Ja, Ja - Nein, Nein".
Sie sehen, wie man vor diesem aramäischen
Hintergrund die Stellen der Bibel besser
verstehen kann. Wir haben hier eine Welt, eine
Sprache und eine Geschichte, die letztlich vor
aller Spaltung zwischen Juden und Arabern liegt.
Ein umherirrender Aramäer war Abraham. Jesus,
ein Jude, sprach Aramäisch. Das Aramäische ist
heute erhalten mitten unter den arabischen
Staaten. in Persien, in Kurdistan, in Syrien.
Unter den Arabern hat sich die aramäische
Sprache und unter den dortigen Christen eine ganz
besondere Liturgie im Gottesdienst erhalten. Ich
schließe mit der Übersetzung des Vaterunsers
aus der aramäischen Liturgie. Es sind drei
Besonderheiten, die für mich bedenkenswert sind,
und ich bitte Sie, auf diese drei Punkte des
Gebetes wir täglich beten, zu achten:
UNSER VATER IM HIMMEL. DEIN
NAME WERDE GEHEILIGT.
DEIN REICH KOMME. DEIN WILLE GESCHEHE WIE IM
HIMMEL SO AUF ERDEN. GIB UNS TAG UM TAG DAS BENÖTIGTE
BROT UND VERGIß UNS UNSERE SCHULDEN, WIE WIR
VERGEBEN HABEN UNSERN SCHULDNERN.
FÜHR UNS, AUF DASS IHR NICHT IN VERSUCHUNG,
FALLEN. UND ERLÖS UNS VON DEM BÖSEN. DENN DEIN
IST DAS REICH UND DIE KRAFT UND DIE HERRLICHKEIT
IN EWIGKEIT.
AMEN
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