Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 2001


 Arbeitskreis für Gerechtigkeit und Frieden an der
Katholischen Universität Eichstätt
Preisträger 2001:

1. Diakon Isa Gülten

Isa Gülten, genannt Melfono Isa Gülten, was soviel heißt wie Lehrer, wohnt seit über 25 Jahren mit seiner 7-köpfigen Familie im Kloster Mar Gabriel, im Tur Abdin. Der zweitwichtigste Mann nach dem Bischof genoß seine akademische Ausbildung im Libanon, und ist nun im Kloster Mar Gabriel für die Ausbildung der Lehrer, sowohl im Kloster als auch auf den Dörfern, zuständig.


Malfono Isa Gülten (AK Shalom)

Durch seine hohe soziale Kompetenz, seiner großen Gabe zuzuhören und zu vermitteln, genießt Melfono Isa Gülten hohes Ansehen bei seinen Gesprächspartnern. So ist unter seinem Wirken das Kloster Mar Gabriel zu einem angesehenem Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen verfeindeten Ethnien und Glaubensgemeinschaften geworden.
Wie groß das Ansehen bei der türkischen Regierung gegenüber Melfono Isa Gülten ist, zeigt sich im folgenden konkreten Fall:
1996 verabschiedete der türkische Staat einen Erlaß, der den Unterricht im Kloster Mor Gabriel verbietet. Dennoch wird dort nach wie vor unterrichtet.Melfono Isa Gülten, als Verantwortlicher des Klosters gegenüber der Regierung, hat bis heute keine rechtlichen Konsequenzen erleiden müssen. Zu hoch ist sein Ansehen im In- und Ausland.

Sein Engagement beschränkt sich nicht nur auf dem Bereich der Verständigung, sondern auch im Bereich der aktiven Hilfe. So organisierte er während des Golfkrieges Hilfsaktionen für Christen noch bevor internationale Organisationen in diesen Gebieten eintrafen.
Melfono Isa Gülten ist ein Mann des Volkes, der sich nicht davor scheut bis in entlegene Dörfer zu gehen, um Kurden dazu zu bewegen, ihre Heimat trotz Verfolgung und Leid nicht zu verlassen. Er selbst ist ein lebendes Beispiel dafür, die Heimat nicht zu verlassen, denn er selbst schlug mehrmals Angebote aus, unter anderem in Schweden zu wirken und seiner Familie ein sicheres Leben zu bieten. Er zieht es vor, weiterhin in Mar Gabriel zu wirken.

Aufgrund seines unermüdlichen Einsatzes für seine Mitmenschen in Wort und Tat erhält Melfono Isa Gülten den diesjährigen Shalompreis 2001.

2. Pfarrer Yusuf Akbulut

Yusuf Akbulut ist Gemeindepfarrer der St. Marienkirche in der Provinzhauptstadt Diyarbakir in der Südosttürkei. Der 36-jährige Vater von fünf Kindern betreut hier acht christliche Familien mit 70 - 80 Personen. Darunter befinden sich zwei armenische, zwei syrisch-katholische, eine protestantische sowie drei syrisch-orthodoxe Familien. Sie sind alle in der Gemeinde von St. Marien zusammengefasst, da nur noch sehr wenige Christen in dieser Gegend (zwei Autostunden vom Tur Abdin entfernt) leben.
Seit den 70er Jahren hat eine Auswanderungswelle der Christen in der Südosttürkei nach Europa stattgefunden, es waren auch viele Pfarrer und Geistliche unter ihnen. Yusuf Akbulut aber ist geblieben. Er zeigt ein großes Engagement für seine Gemeinde und nimmt dafür persönliche Entbehrungen in Kauf.
Heute ist die St. Marienkirche ein wichtiger Anlaufpunkt nicht nur für die Christen im Tur Abdin, sondern auch für Besucher aus Europa und für syrisch-orthodoxe Jugendgruppen, welche die Heimat ihrer Eltern kennen lernen wollen.
Am 21. Dezember 2000 fand der erste Prozess gegen Pfarrer Akbulut in Diyarbakir statt, bei dem auch mehr als ein Duzend Vertreter der westlichen Länder anwesend waren. Die türkische Staatsanwaltschaft hat gegen Yusuf Akbulut Anklage erhoben, da er gegen den § 312 des türkischen Strafgesetzbuchs verstoßen hat. Dabei droht demjenigen eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren, der "die Bevölkerung unter Hinweis auf Unterschiede der Klasse, Rasse, Religion, Konfession oder Region öffentlich zu Hass und Feindschaft aufstachelt."
Grundlage der Anklage ist ein Zeitungsinterview, in dem Pfarrer Akbulut zu den von der türkischen Regierung bis heute geleugneten Völkermord an insgesamt 2,5 Millionen Christen während des Ersten Weltkrieges Stellung genommen hat. Dieses Interview war Teil einer Medienkampagne konservativer Kräfte, deren Hintergrund die bevorstehende Abstimmung zur Genozid-Resolution Anfang Oktober 2000 im US-Kongress war. Schon vor der Abstimmung setzte die Türkei die US-Regierung unter politischen Druck. Sie drohte für den Fall eines positiven Ausgangs mit der Sperre strategisch wichtiger Airbasen für amerikanische Militärflugzeuge. Im Zuge dieser Kampagne schickte die konservativ-islamistische Zeitung Hürriyet zwei Journalisten nach Diyarbakir, wo sie Yusuf Akbulut in einem Gespräch zu einer Aussage über den Genozid an den Christen bringen konnten. Akbulut sagte, dass der Völkermord eine Tatsache sei, dabei seien nicht nur Armenier, sondern auch die syrischen Christen (sie werden auch assyrische bzw. aramäische Christen genannt) den ethnisch-religiösen Säuberungen zum Opfer gefallen. Am 4. Oktober 2000 erschien dann unter der Überschrift "Der Verräter unter uns" das Interview in vollem Wortlaut. Zwei Tage später wurde Pfarrer Akbulut festgenommen und verhört. Aus Sicherheitsgründen wurde ihm angeraten, seine Wohnung nicht zu verlassen.
Das Europäische Parlament kritisiert den § 312 als unzulässige Einschränkung der gesetzlich garantierten Meinungsfreiheit. Die Anwälte Akbuluts weisen darauf hin, dass sich ihr Klient eben im Rahmen dieser gesetzlich garantierten Meinungsfreiheit geäußert hat und keine öffentliche Erklärung abgegeben hat.
Die Medienkampagne hat die syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei stark verunsichert. Eine Verurteilung Yusuf Akbuluts könnte der Auslöser zur Flucht der syrisch-orthodoxen Bevölkerung sein.
Der Prozess gegen Pfarrer Akbulut wurde aufgrund vermehrter Präsenz westlicher Länder bei den Verhandlungterminen zweimal verschoben.
Am 5. April 2001 wurde Pfarrer Akbulut unter dem Beifall der aus Westeuropa angereisten Prozeßbeobachter, darunter die Bundestagsabgeordneten Angelika Graf (SPD) und Monika Brudlewsky (CDU), freigesprochen.

(Entnommen aus der Homepage des AK für Gerechtigkeit und Frieden an der Katholischen Universität Eichstätt)

 

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