Mar Gabriel Verein - Mitteilungsblatt 2000


Mitteilungsblatt Mai 2000
Herausgeber: Mar Gabriel-Verein, Wischhofsweg 31d, 22523 Hamburg
Redaktion: Dr. Shabo Talay, Universität Erlangen-Nürnberg, e-mail:
shtalay@gmx.de; Fax: 07147/900408

Liebe Freunde des Mar Gabriel-Vereins und der syrischen Christen,

für das syrische Christentum war das vergangene Jahrtausend, von wenigen Ausnahmen abgesehen, von Verfolgung, Vertreibung und Mord gekennzeichnet. An Grausamkeit übertraf allerdings das 20 Jh., das mit den schrecklichen Massakern an der christlichen Bevölkerung des damaligen Osmanischen Reiches begann und mit den beiden Golfkriegen endete, alle anderen vorangegangenen Epochen. Die Syrer verloren vom Ersten bis zum Zweiten Weltkrieg rund zwei Drittel ihrer Heimat und ihrer Mitglieder.
Wegen der instabilen politischen und wirtschaftlichen Lage der Staaten im Vorderen Orient kommt es seit Mitte der siebziger Jahre verstärkt zur Auswanderung der christlichen Bevölkerung. So verließen seit Beginn der Auswanderungsbewegung über 97% der Syrer ihre Heimat im Südosten der Türkei. Die beiden Golfkriege kosteten Tausenden syrischen Christen im Irak das Leben. Das Ausharren dort wird wegen der schlechten allgemeinen Lebensumstände immer schwieriger. Das Embargo trifft faßt ausschließlich die Zivilbevölkerung, und erreicht sein Ziel nicht, Saddam Hussein von der Macht zu verjagen. Auch in der sog. Schutzzone leben die Menschen weder in einer politischen noch wirtschaftlichen Freiheit. Von den ursprünglich über 100.000 Assyrern leben heute nur noch ca. 30.000 in der Schutzzone im Nordirak.
Aus dem Iran sind nach der Machtergreifung Khomeinis im Jahre 1979 viele syrische Christen geflüchtet. Dort sollen nur noch ca. 20.000 Angehörige der chaldäischen und der apostolischen Kirche des Ostens leben.
In Syrien leben die meisten der Syrer im Nordosten des Landes, das seit mehreren Jahren in einer Wirtschaftskrise steckt. Es herrscht vor allem bei den Assyrern entlang des Khaburflusses Armut. Der Fluß führt schon seit mehreren Jahren in den Sommermonaten kein Wasser und die schön angelegten Obstgärten sind vertrocknet. In den Städten war die Bevölkerung auf die Erträge in der Landwirtschaft angewiesen. Nun sind auch sie von der Dürre stark betroffen.
In allen orientalischen Ländern haben die Syrer Angst um ihre Zukunft und die ihrer Kinder. Die einzige Lösung sehen sie in der Auswanderung, was für die Zukunft der syrischen Christen verheerende Folgen haben wird. Wie soll ein Volk außerhalb seiner Heimat leben, wie soll es seine Sprache und Kultur pflegen? Der Verlust ihrer Sprache und ihrer alten Kultur hat in der westlichen Welt schon längst begonnen. Die Kinder sprechen kein aramäisch und die Eltern können ihre Aufgabe, die Vermittler von Sprache und Kultur zu sein, nicht mehr erfüllen. Wird das 21. Jahrhundert für die syrischen Christen sich von den vorangegangenen unterscheiden? Gibt es im Zeitalter des Internets, der Globalisierung und der rasanten Fortschritte in der Bio- und Gentechnologie auch Raum, für die Nachkommen der alten Assyrer, Babylonier und Aramäer die ihrerseits damals der Welt technischen und gesellschaftlichen Fortschritt schenkten?
Der Mar Gabriel-Verein möchte durch seine Arbeit den Überlebenskampf der syrischen Christen (Assyrer, Aramäer, Chaldäer) insbesondere im Orient, aber auch in den Aufnahmeländern unterstützen. Helfen Sie mit!

Dr. Shabo Talay

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