Baspirin
- Haberli - Bissorino (Haus der Hoffnung) -
Besorino - bisorino/basebrinaBaspirin liegt 37 km östlich
von Midyat in der Nähe der Straße Mardin -
Cizre im Waldland des östlichen Tur 'Abdin.
Terrassen mit Wein-, Obstbaum- und Walnußpflanzungen
umgeben den Ort; überall stehen Ruinen in der Nähe
und im Ort selbst. Zwischen den Felsen sieht man
die unregelmäßigen, durch Steinwälle
abgegrenzten Ackerflächen rotbraun
hervorleuchten. Beiderseits des in das Dorf führenden
Weges stehen die flachen Zementbauten der
Polizeistation, des Krankenhauses und der Schule.
Baspirin ist Bezirksort mit 505 (775)
christlichen Einwohnern (1980: 60 Familien), die
Turojo sprechen. Hanna Aydin schätzte die Zahl
der christlichen Einwohner für 1980 auf 62
Familien. Am östlichen Ortsende steht die Kirche
"Mar Dodo" mit mehreren Grabkammern.
Hier ruhen auch die sterblichen Überreste des
als Heiliger und Märtyrer des Tur 'Abdin
verehrten Maphrian Schimun; er lebte im 18.
Jahrhundert, war als Autor theologischer
Schriften und Hymnen bekannt und wurde von Kurden
ermordet. An das Hauptgebäude schließen sich
zwei kleine Kapellen an, davon wird eine jetzt
als Schafstall benutzt. In einer Ecke des Hofes
wurde eine überdachte Nische mit einem
Altarstein für die exkommunizierten
Kirchenmitglieder angebracht; sie durften nur
hier beten. Im Westen grenzen die umfangreichen
Ruinen des Klosters "Mar Dodo" an,
dessen große Flügel früher einen weiten Hof
umschlossen. Hier lebten einst Mönche und Nonnen
in den verschiedenen Gebäudeteilen. Dorfpriester
ist heute Jusuf Cicek; bis etwa 1974 war es
Gabriel Arslan (geb. 1927, Priesterweihe 1951).
Er wanderte nach Berlin aus, wo er 1978 starb.
Bei meinem Besuch 1967 zeigte er mir mehrere alte
syrische Handschriften, die er restaurieren
lassen wollte.
Als ich Baspirin 1967 und 1968 besuchte, erfuhr
ich, daß es dort insgesamt 25 kleinere und größere
Kirchen gebe. Der Priester führte mich zu den
Kirchen "Mar Schimun", "Mar Jakub
Malphono", "Mar Daniel", "Mar
Kaume", "Mar Osjo", "Mar
Azazael", "Mar Kyriakos", "Mar
Sarkis Bakos", "Mar Aho", Joldath
Aloho", "Mar Eschajo" und zwei
Kirchen "Mariam Magdoleito". Diese würfelförmigen
Tonnengewölbe waren oft nicht als Kirchen zu
erkennen und standen entweder im Dorf oder außerhalb
davor zwischen Ruinen. Die zahlreichen Kirchen
und umfangreichen Ruinen in der Umgebung weisen
darauf hin, daß Baspirin früher eine weitaus größere
Bedeutung hatte als heute mit seinen kaum 400
Einwohnern. Aber bei vielen Dorfbewohnern ist das
Bewußtsein früherer Größe noch lebendig, die
Kirche "Mar Dodo" mit dem Grab des
heiligen Schimun ist Ziel von Wallfahrern aus dem
In- und Ausland. In die Sonntagsschule gehen etwa
60 Kinder.
Der Ort war bereits im 10. und 11. Jahrhundert
durch Mönche, Kopisten, Autoren und Bischöfe
bekannt. Bis 1167 wohnten hier auch Muslime.
Jedoch kam es häufig zu Reibereien zwischen den
beiden Religionsgruppen, und deshalb kauften die
Christen den Muslimen nach langwierigen Verhand-lungen
das Land ab. Die Muslime versuchten daraufhin
mehrmals vergeblich, sich in den benachbarten
Dorfruinen eine neue Existenz zu schaffen. Da die
Christen keine Muslime in der Nähe haben
wollten, besetzten sie die Ruinen von Sari mit 10
Familien und bauten diese wieder auf. Die Muslime
aber zogen nach Damaskus und holten sich dort
militärische Hilfe gegen die Christen, um wieder
in Baspirin einziehen zu können. Ihre Angriffe
scheiterten jedoch am erbitterten Widerstand der
christlichen Bewohner.
Damals wurde der Ort von der reichen Familie Sobo
regiert, die den Landkauf finanzierte. Auch ließ
sie die zerstörten Kirchen "Mar Dodo",
"Mar Aho", "Mar Osjo" und
"Mar Eschajo" wiederaufbauen, eine Burg
und eine Karawanserei errichten sowie Gärten und
Brunnen anlegen. In ihrem Auftrag wurden außerdem
mehrere Handschriften mit Buchmalerei und
goldenen Dekkeln angefertigt. Im 15. Jahrhundert
stammten aus Baspirin bedeutende Bischöfe,
Autoren und Kopisten.
Mehrfach in seiner Geschichte hatte der Ort unter
Überfällen und Verwüstungen zu leiden: 1396
durch die Tataren, 1433 durch osmanische Truppen,
,1453 durch nomadisierende Kurden aus Bohtan,
1492 durch Kurden, Jesidi und Stämme aus dem
westlichen Tur 'Abdin. Oft wurden Gefangene in
die Sklaverei verkauft. Das Dorf blieb aber auch
von Naturkatastrophen nicht verschont: 1423
forderte die Pest 400 Opfer, 1674 wurde es durch
ein Erdbeben zerstört; 1727 vernichteten
Heuschrecken die gesamte Ernte, 1759 herrschte
Hungersnot. - Aber trotz aller Heimsuchungen
blieb das geistige Leben ungebrochen: 1631
besuchten z.B. 306 Kinder die Sonntagsschule.
Viele Hymnen wurden über die Geschichte von
Baspirin verfaßt.
Um die Mitte des 19. Jahrhunderts bot Baspirin
ein Bild des Wohlstands, von seinen Frauen durch
reichen Silberschmuck zur Schau gestellt. Die
Umgebung war sorgfältig in Terrassen angelegt.
Der ganze Ort war wohlbefestigt, bestand aus Häusern
mit Terrassen, und war stets durch seine hohen
Mauern und Schießscharten verteidigungsbereit.
Die festungsähnliche Kirche überragte auf einem
felsigen Bergrücken das Dorf und die Umgebung.
Der Missionar Sandreczki besuchte damals den Ort
und wurde von einem Priester empfan-gen, der ihn
in sein geräumiges und reinliches Haus führte.
Der Geistliche machte - im Gegensatz zu manchen
Kollegen in dieser Gegend - einen belesenen
Eindruck. Wie heute, so sprachen in jener Zeit
die Bewohner der 80 Häuser Syrisch (d.h. Turojo);
sie trugen die gleiche Kleidung wie die Kurden.
Dieser Wohlstand dauerte aber nicht lange; wenig
später brannten die Briganten des Kurdenführers
Massur Beg das Dorf nieder und töteten
zahlreiche Einwohner. Auch in der folgenden Zeit
erlebte Baspirin nur kurze Erholungspausen; die
Situation der Christen verschärfte sich durch
innere Streitigkeiten. Pognon geriet
beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts in einen
Krieg zwischen den Christen von Baspirin und Sari.
Die Bevölkerung von Sari war bereit, sich dem
Kurdenhäuptling Serkhan anzuschließen, um neuen
Verfolgungen zu entgehen; nun sollte sie von den
kämpferischen Nachbarn mit Gewalt daran
gehindert werden. In der Kirche "Mar Dodo"
standen die Kämpfer bereit.
Wenig später, zu Beginn des 20. Jahrhunderts,
hatten die wiederholten Kriege und Überfälle
den Ort gezeichnet: er erschien den Außenstehenden
trist und unbedeutend; die Umgebung wurde nur
durch einige Bäume und Sträucher belebt und
ging bald in eine öde Felsgegend über. Für den
Kunsthistoriker Preusser hatte Baspirin mit
seinen verfallenen Kirchen ohne Ornamente die
"Leblosigkeit eines Gräberfeldes".
Seine englische Kollegin Gertrude Bell
interessierte sich dagegen für die vielen
Bauwerke in der wasserlosen, mit niedrigen Eichen
bestandenen Landschaft. Außerhalb der
eigentlichen Ortschaft stieß sie auf das nur
noch von einem Mönch bewohnte Kloster "Mar
Bar Sauma" und einige, von je einem Mönch
bewohnte kleinere Klöster, die wie Festungen auf
verschiedenen Hügeln errichtet waren. Die
Tausend und eine" Kirchen wiesen keine
Ornamente oder Inschriften auf. In der größten
Dorfkirche fand sie auch nur einen Lesetisch aus
Stein in einer Apsis, sonst Wohn- Eßräume und
Ställe.
Im 1. Weltkrieg gehörte der stark befestigte Ort
neben Idil, Ayinvert, Zaz und Enhil zu den Dörfern,
die sich gegen die kurdische Übermacht bis zur
Beilegung des Krieges erfolgreich verteidigen
konnten. Auch darüber berichtet eine Reihe von
Hymnen.
Quelle: Helga Anschütz, Die
syrischen Christen vom Tur Abdin, 1984
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